Was bleibt

Heiligabend 1991 - der SFB III überträgt weihnachtliche Chormusik, gesungen vom Heinrich-Schütz-Chor; Bekanntes, Wiedererkanntes und gut Gekanntes: Michael Praetorius "Der Morgenstern ist aufgegangen" zu vier Stimmen. DAS habe ich mitgesungen, damals in der Schulzeit 1948-1954 im Musikunterricht und im Chor der Malwida-von-Meysenbug-Schule!Die schönsten Erinnerungen sind plötzlich da: Gisela Behm - die junge, sich zur Musik hinreißende geliebte Lehrerin und Musikerin; sie sang, spielte Geige, begleitete am Klavier, begeistert und begeisternd für viele. Das Singen, der Chor wurden zum Herzstück ihres Wirkens in diesen frühen Jahren der Nachkriegszeit. Die kleine "Aula" (vielleicht 50 Plätze), obgleich Durchgangszimmer für zwei Klassenräume, gemütlich, war ihr Platz. Dort gab sie Musikunterricht - ohne genügend Unterrichtsmaterialien vom Hügel aus; dort inszenierte sie oft Chor-, Gesangs- und Instrumentaldarbietungen, hin und wieder mit großen Künstlern wie der wunderbaren Sopranistin Elisabeth Grümmer, dem Pianisten Julius Dahlke, Alexander Dietrich, einem Geiger der Berliner Philharmoniker. Ich erinnere mich auch an Rezitationskunst, die an uns herangetragen wurde und an ein vom RIAS aufgezeichnetes Gespräch von uns Schülern mit Carl Zuckmayer, ich erinnere mich an viele Schulfeiern, in denen SchülerInnen musikalisch oder rezitierend hervorzutreten lernten; denn auch der Deutschunterricht bei Frau Carrière-Bellardi (leider nur während weniger Jahre) war beflügelnd!Was haben wir für Chorwerke und Madrigale des XVI. und XVII. Jahrhunderts gesungen; Volks- und Wanderlieder unserer Zeit sangen wir natürlich auch, und dazu fällt mir sofort unsere Klassenreise ins kleine Walsertal ein, damals, 1952, ein weites Ziel, auf der uns Gisela Behm begleitete.Ich versuche mich weiter zu erinnern an die musikalische Literatur. Mangels Unterrichtsmaterialien (keine Schallplatten oder dergl.) konnten wir vorwiegend nur mit ihr vertraut werden, indem wir sie uns ersangen: Motetten von Schütz, Schein, Samuel Scheidt, Dietrich Buxtehude, J. S. Bach, dann die Goethe-Musiker Joh. Friedrich Reichhardt und C. F. Zelter, Carl-Loewe-Balladen und natürlich Schubert, wie Brahms- und Hugo-Wolf-Lieder von Gisela Behm gesungen und von Mitschülerinnen begleitet, die "Weihnachtsgeschichte" von Ernst Pepping, Hindemiths "Die kleine Stadt" ..., meine Rückbesinnung gipfelt in unserer Aufführung des Brahms‘schen Requiems! Unvergeßlich!Unser Chor hatte großen Erfolg beim Chorwettstreit innerhalb Berlins. Dreimal hintereinander erhielt er den Wanderteller des RIAS, der damit der Schule blieb; dazu gehörten Studioaufnahmen in der Kufsteiner Straße und am Heidelberger Platz. So wie unsere kleine Aula Aufführungsort für das REQUIEM war, so unsere ebenso kleine Turnhalle für unser erstes Singspiel: MUGUETTE. Eine Abiturientin des 1. Abiturjahrgangs der Meysenbugschule, Ursula Dudda - sie lebt nicht mehr -, hatte den Text dieses Märchenspiels geschrieben, Dr. Eberhard Wendeler, der später vieles für uns komponierte, die Musik.Gisela Behm und Eberhard Wendeler schufen uns besonders Musikinteressierten und Begeisterten viele Möglichkeiten des Musizierens. Wir hatten außer der Schule eine Arbeitsgemeinschaft, wir studierten E. Wendelers geist1iche Kompositionen für Aufführungen in der Nikolasseer Kirche ein (die auch Ort eindrucksvoller Krippenspiele war, wir sangen in Krankenhäusern - z.B. in Buch -). Für spätere Jahrgänge der Malwida-von-Meysenbug-Ära reichten die Schulaula und die kleine Turnhalle nicht mehr aus. Die großen Musikereignisse der Fünfziger Jahre - Das Singspiel "der Petersiliengarten", komponiert von einer Schülerin, und CARMINA BURANA von Carl Orff fanden im Großen Saal des Nikolasseer Gemeindehauses vor viel Publikum freudige Aufnahme.Mit Gisela Behm verbindet mich bis heute eine schöne Freundschaft, und das damals gewachsene gemeinsame Erleben von Musik und Menschen ist geblieben. Ich danke ihr.Karin Bark geb. Funk (Abi 54)