"Was wollen Sie denn hier?" Ich kam nicht dazu, zu antworten. "Haben Sie denn nicht schon Abi gemacht?" "Ja, so vor 5 oder 6 Jahren", sagte ich und grinste den Lehrer an, der verständnislos den Kopf schüttelte.Tja, was wollte ich nach so langer Zeit an einem Ort, den die meisten nach ihrem Abschluß lieber nicht mehr aufsuchen?
Theaterspielen an der Werner-von-Siemens-Schule verfolgt mich mehr als alles andere, was ich in meiner Gymnasialzeit erlebt habe. Ein Werkstattabend und die Dramatisierung von Franz Werfels Roman "Der Abituriententag" im Kurs "Darstellendes Spiel" (DS) unter der Leitung von Herrn Lucke waren der Auslöser für diese "Theatersucht" - Eigentlich sollte jener "Abituriententag" (der bei uns "Geschichte einer Schuld" hieß) bezeichnenderweise der krönende Abschluß der Schullaufbahn werden.Es kam ganz anders.Einige Unermüdliche unseres DS-Kurses konnten es einfach nicht lassen; sie taten sich aus purem Vergnügen für ein weiteres Jahr mit Herrn Lucke zusammen und heraus kam ein Theaterabend aus drei Einaktern von Curt Goetz, die zuerst in der Schulaula und (was, glaube ich, ein Novum war) dann wegen des großen Erfolges noch einige Male im Gemeindehaus Nikolassee gegeben wurden. Bei diesem Vorhaben wurden wir sehr tatkräftig und engagiert unterstützt von Schülern einer 10. Klasse, so daß wir diesen, als sie in ihrem 11.Schuljahr "DSmündig" wurden, unsererseits Hilfe bei ihrer DS-Ausbildung anboten. Aus dieser Idee entstand in einem für uns höchst interessanten Arbeitsprozeß ein neuer Werkstattabend und aus ihm die Erarbeitung eines neuen Theaterstücks nach einer Romanvorlage.Unsere Regiearbeit ließ aber kein eigenes Mitwirken auf der Bühne zu, und darauf mochte ich eigentlich nicht verzichten. Deshalb stimmte ich begeistert zu, als mich Frau Dr. Kabisch fragte, ob ich bei ihrem großen Projekt zur 750-Jahr-Feier Berlins mit Schülern ihres DS-Kurses und Ehemaligen mitwirken wolle. Es ging um die Neuinszenierung ihres Stücks "Schaut auf diese Stadt" im Zehlendorfer Bürgersaal. Schon vier Jahre zuvor war es mit großem Erfolg zwölfmal in der Schulaula gespielt worden.So erwuchs aus einem einfachen Theaterkurs, den ich aus Termingründen fast nicht belegt hätte, eine unstillbare Leidenschaft für die Bühne. Es entwickelten sich verschiedenartige Zusammenarbeiten mit Herrn Lucke, Frau Dr. Kabisch und seit einem Jahr auch mit Frau Dr. Klapdor und ihrem DS-Kurs: Wir stehen gegenwärtig (Ende 91) in den letzten Vorbereitungen für den ersten Werkstattabend.Möglicherweise wird es meine letzte Theaterarbeit an der Siemens-Schule sein; was bleibt, ist die Hoffnung, daß auch weiterhin eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Altersstufen der Schule möglich sein wird - und dies vielleicht nicht nur im Bereich DS.Dies alles hätte ich dem Lehrer, den ich 6 Jahre nach meinem Abitur in der Schule traf, erklären müssen.Andreas Ulich (Abi 85)